Das IOC hat es nicht so mit Menschenrechten

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Die European Games 2015 wurden von Aserbaidschan ausgerichtet. European Games, noch nie gehört? Kein Wunder, diese Miniausgabe der olympischen Spiele gibt es erst seit diesem Jahr. Veranstaltet werden sie vom Europäischen Olympischen Komitee. Gastgebende Stadt war Baku, Hauptstadt von Aserbaidschan. Dieses Land hat einen denkbar schlechten Ruf was Menschenrechte betrifft. Bei der Pressefreiheit belegt das Land einer der untersten Plätze weltweit, stellen die Reporter ohne Grenzen fest (PDF)

Die ILGA Europe (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans & Intersex Association Europe) gibt regelmäßig die Rainbow Map heraus, in der die Beachtung der Menschenrechte von Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intersexuelle (LGBTI) für Europa bewertet wird. Aserbaidschan liegt 2015 im zweiten Jahr in Folge auf dem letzten Platz.

Alle 50 Mitglieder des EOC sind im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) vertreten. Das IOC hat Ende 2014 eine Agenda 2020 verabschiedet, mit der ein Reformprozess initiiert werden soll. Hamburger Befürworter_innen der Olympia Bewerbung feiern diese Agenda seit ihrer Verkündung und damit ziemlich voreilig als Erfolg.

In dieser Agenda wird versprochen, dass „Gender Equality“ (gemeint als Gleichberechtigung von Mann und Frau) in die olympische Charta aufgenommen werden soll. Damit wird eine peinliche Lücke geschlossen, 66 Jahre nachdem sich die Vereinten Nationen mit der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ bereits der Gleichberechtigung verpflichtet haben. (Aserbaidschan hat sich dazu spätestens 2001 mit dem Beitritt zur Europäische Menschenrechtskonvention bekannt) Darüber hinaus wird in der Agenda 2020 durch einen Zusatz die Nicht-diskriminierung sexueller Orientierung erwähnt. Diese Haltung entspricht der gängigen Interpretation der Allgemeinen Menschenrechtserklärung. Eine besonders fortschrittliche Verteidigung der Menschenrechte und besonders der Rechte von LGBTI findet also nicht statt. Vor allem hält sich das IOC weiterhin bedeckt, was die fehlende Beachtung dieser Rechte durch die gastgebenden Länder betrifft.

Wie sieht aber die gelebte Praxis des IOC und seiner Mitgliedsorganisationen aus? Auf Aserbaidschan angesprochen, hat der Vizepräsident des DOSB, Michael Vesper, betont, dass Sport nicht die Politik verändern oder sich gar um Einzelfälle einzelner Menschenrechtsverletzungen kümmern könne. Soweit zur Rolle der Menschenrechte aus der Sicht der Sportfunktionäre. Seit der Verabschiedung der Agenda 2020 wurden die Olympischen Winterspiele 2022 an Peking vergeben, eine Diktatur mit einer endlosen Liste an Menschenrechtsverletzungen. Den Zuschlag für die zweiten Europäischen Spiele soll jetzt ausgerechnet das Land erhalten , dass auf der Rainbow Map an vorletzter Stelle direkt vor Aserbaidschan steht und weltweit berüchtigt ist für seine homophobes Klima und auch Gesetzgebung: Rußland.

Diese Entscheidung steht für die völlige Ignoranz des Themas durch die olympischen Komitees. Ob deshalb die Hamburger Bewerbung punkten kann, wenn sie „sexuelle Vielfalt“ als „Kernbotschaft“ der Bewerbung formulieren will, muss bezweifelt werden. Dazu muss erwähnt werden, dass es diesen Eintrag im Bewerbungsformular an das IOC schlicht nicht gibt. Das heißt: Diese Nachricht wird den Empfänger IOC gar nicht erreichen!

Wenn dann in Hamburg (aber vermutlich auch in Rom, LA oder Paris) ein paar queere Farbtupfer die olympischen Spiele etwas bunter machen würden, entspräche das nur der bereits erstrittenen Anerkennung der LGBTI-Communities in diesen Ländern. Vermutlich dient jetzt dieses „Pinkwashing“ nur dazu, ein paar Stimmen für ein Ja beim Referendum zu gewinnen und die Idee wird nach dem Referendum in der Schublade verschwinden. Wichtig wäre, aber das IOC zu wirklichen Reformen zu zwingen, nicht nur zur Anti-Korruption und Transparenz, sondern zur Beachtung und Verfechtung der universellen Menschenrechte.

PS: Ein weiteres trauriges Thema sind die vielfachen Menschenrechtsverletzungen, inbesondere die Vertreibung von tausenden Menschen, durch die Vorbereitung auf die Sommerspiele 2016 aus Rio de Janeiro. Auch hier sind vom IOC keine kritischen Kommentare oder Distanzierungen bekannt.


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