Von faulen Eiern und falschen Versprechen

Nolympia Hamburg zur Entscheidung des IOCs für den Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2024

Am 13. September entscheidet das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Lima über die Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2024. Das Datum markiert auch den Tag, an dem die Hamburger Bewerbung für dieses Event – bei anderem Ausgang des Referendums am 29.11.2015 – endgültig beendet gewesen wäre. “Zwei bessere Gastgeberstädte sind kaum denkbar”, bewertet Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) die verbliebenen Kandidaten Paris und Los Angeles (1). Angesicht des Rückzuges sämtlicher anderer Bewerberstädte – Boston, Hamburg, Rom und Budapest – und der massiven Zunahme der Kritik am Prinzip Olympia und dem Gebaren des IOC hat sich dessen Führung veranlasst gesehen, die Vergabe nicht nur für 2024, sondern auch gleich noch für 2028 zu entscheiden.

Die Position der Defensive, in der sich eine der einflussreichsten nicht-staatlichen Organisationen der Welt nun sieht, ist auch ein Erfolg der internationalen olympiakritischen Bewegungen, deren Teil NOlympia Hamburg ist. Der positive Ausgang des Referendums im November 2015 war ein Signal mit weit über Deutschland hinaus reichender Wirkung, markiert aber keineswegs den Endpunkt kritischen Nachdenkens über das IOC und sein Produkt – auch nicht in Hamburg.

Bereits die Bewerbungsphase um Olympische Spiele ist äußerst schädlich und kostenintensiv für die kandidierende Stadt. Noch im September 2015 verkündete der Chef der Bewerbungsgesellschaft Hamburg 2024, Nikolas Hill: „Die Bewerbungskosten haben wir bereits transparent benannt: 15 Mio. € zahlen die Hamburger, 10 Mio. € der Bund und 25 Mio. € kommen aus der deutschen Wirtschaft“. (2) Nach dem Referendum sah die Sache komplett anders aus. Die Olympia-Ausgaben allein für die erste Phase der Bewerbung belaufen sich auf geschätzten 15-20 Millionen. Davon zahlt die Bundesregierung nichts, weil Hamburg dies nicht per Vertrag fest gelegt hatte, die deutsche Wirtschaft war nie mit einem Scheckbuch gesehen und Hamburg bleibt zu 100% auf den Kosten sitzen. Was das windige Olympiaabenteuer die Hamburger/innen genau gekostet hat? Das ist – fast zwei Jahre nach dem NEIN der Bevölkerung – nicht klar. Trotz mehrfacher Nachfragen der LINKEN legt der Senat keine solide Abschlussrechnung vor. 

Klar ist, dass in Hamburg schon bei der Erstellung des BID-Books (gewissermaßen das offizielle Bewerbungsschreiben) die Kosten explodiert sind. Eine desaströse Bilanz für die, laut Bürgermeister Olaf Scholz, „am besten durchgerechnete Olympiabewerbung ever“. Boston, Hamburg, Rom und Budapest sind gerade noch rechtzeitig aus dieser Logik des Großen (Schmier-)Geldes ausgestiegen. Denn schon die relativ kurze Hamburger Bewerbung hat deutlich gemacht, wie sehr Olympia den Städten schon während der Bewerbungsphase schadet, über den oben aufgeführten unklaren Verbleib zahlreicher Millionen hinaus. Mit der Bewerbung – und auch das gilt für alle Städte – wird auch Politik gemacht, eine Politik des Sachzwangs und der Kapitallogik, bei der die Bedürfnisse und  Ansprüche der städtischen Bevölkerung mehr als sonst schon üblich auf der Strecke bleiben.

Nicht nur die direkten Kosten, die der Senat mit der Olympiabewerbung verpulvert hat, sind enorm: Besonders dicke faule Eier sind zum Beispiel die mit 4,5 Millionen überteuert in die Stadt geholte Box-WM (3) oder natürlich der G20-Gipfel  – beides Events, die einmal zur Förderung der „internationalen Bedeutung“ Hamburgs im Rahmen der Olympiabewerbung gedacht waren.

Fun Fact am Rande: Der mit seiner Olympiabewerbungsgesellschaft grandios gescheiterte und lange über die Bewerbungsphase hinaus von der Stadt gut bezahlte Nikolas Hill durfte im Rahmen des G20-Gipfels erneut tätig werden. Mit viel medialer Unterstützung organisierte Hill die regierungseigene Demonstrationssimulation „Hamburg zeigt Haltung“, die mit kaum 5.000 Teilnehmenden ein ähnlich peinliches Ergebnis wie die Olympiakampagne erzielte.

Nix Feuer, nix Flamme, dafür jede Menge verbrannte Erde – so könnte man die Olympiaambitionen des rot-grünen Senats bilanzierend zusammenfassen. Dennoch ist es Glück im Unglück, dass hier der Olympiawahnsinn relativ frühzeitig abgewählt wurde. Es gibt zahlreiche gute Gründe, warum Städte das IOC besser nicht zu sich einladen sollten. Einige davon haben wir von NOlympia Hamburg bereits ein Jahr nach dem Referendum in unserer Stellungnahme „Nein wie gut war das!“ beschrieben. (4) Auch im letzten Jahr hat die Sportfunktionärswelt neue Skandale produziert. Aktuell wird beispielsweise gegen den Chef des Organisationskomitees der Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro, Carlos Arthur Nuzman, ermittelt. Er soll die Stimmen von afrikanischen IOC-Mitgliedern gekauft haben, damit diese Rio den Zuschlag geben (5). Dass die Hamburger Box WM rund 25 Millionen Euro Miese gemacht haben soll, wird ebenfalls teilweise auf Korruption zurück geführt.(6) Ohne dubiose Geschäfte keine Spiele, scheint eine Grundregel zu sein. Keine Spiele ohne Doping eine weitere, wie nicht nur das vom IOC protegierte russische Staatsdoping zeigt.(7) Und die Liste ließe sich beliebig fortführen.

Unsere Solidarität geht daher an die olympia-kritischen Initiativen in Paris und Los Angeles, die trotz schwieriger Bedingungen weiter dafür kämpfen, ihre Städte und deren Bewohner*innen vor den negativen Folgen des Großereignisses zu bewahren. Sie gilt selbstverständlich auch jenen Gruppen im Ruhrgebiet und in anderen deutschen Städten, die sich gegen die dort aufkommende dumme Idee einer künftigen Olympiabewerbung engagieren.

Die Erfahrungen von Hamburg mit der Bewerbung, von London, Rio und demnächst Tokio – das bereits jetzt sein Olympisches Desaster erlebt – sollten eigentlich allen Menschen (außer den ganz wenigen Profiteuren) klar vor Augen führen, dass von so hochgradig vergifteten Brot&Spielen besser die Finger zu lassen sind.

(1) »„Hamburg hat aus dem Scheitern Kraft geschöpft“« Michael Vesper im Hamburger Abendblatt, 26.08.2017

(2) »Die Olympischen Spiele 2024 in Hamburg machen wirklich (k)einen Sinn« Urbanshit, 29.09.2015

(3) »Was von Olympia in Hamburg übrig blieb« Hamburger Abendblatt, 25.08.2017

(4) »“NEIN wie gut war das!« NOLympia Hamburg, 28.11.2016

(5) »Operation „Schmutziges Spiel“«, Süddeutsche Zeitung, 06.09.2017

(6) »Bach macht Bogen um Box-WM in Hamburg« NDR, 25.08.2017

(7) »Ungeheuerlicher Ablasshandel zwischen Putin und dem IOC« Süddeutsche Zeitung, 10.08.2017